Als die Türen noch beidseitig aufgingen
Früher ist Heinz Steinke mit dem großen Bus zur Arbeit gefahren. Sein Rollstuhl wurde entweder im Gepäckfach oder auf der Fläche der Stehplätze verstaut. Er musste die Bustreppe mühsam erklimmen und sich am Griff hochziehen. Bei dem Aussteigen musste er sich wieder gut festhalten. Da ist die Fahrt zur Arbeit heute viel bequemer. Heute wird Heinz mit dem Kleinbus abgeholt. Dieser hat eine Hydraulikrampe. Einfach sitzen bleiben, angehoben werden und auf den Platz fahren. Angeschnallt wird man heute auch, sicher ist sicher – früher im großen Bus brauchte man das nicht.
Aber früher ist auch schon eine ganze Weile her. Mit 20 Jahren hat Heinz am 10.05.1971 in der Werkstatt der Lebenshilfe Hildesheim zu arbeiten begonnen. Das ist bald 50 Jahre her. Zeit zurück zu schauen und noch einmal das Arbeitsleben Revue passieren lassen. Angefangen hat Heinz im Sachsenring in einem Hinterhaus in der Nordstadt. Die frühere Wäscherei hatte die Lebenshilfe Hildesheim 1971 als Werkstatt umgebaut und in Betrieb genommen. Die Arbeitsplätze waren gefragt. Der Wunsch nach einem möglichst normalen Leben. Teilhabe am Arbeitsleben war früher genauso ein Grundbedürfnis wie heute, wenn auch heute einiges anders ist.
In der Gruppe von Firmin Hehemann hat er mit der Verkabelung von Lampen angefangen. Viele Handgriffe und Arbeitsgänge hat er in seinem Arbeitsleben erlernt und ausgeführt. Nach Eröffnung der neuen Werkstattgebäude in Drispenstedt im Jahr 1990 ist er mit seiner Arbeitsgruppe dahin umgezogen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das Gebäude in Drispenstedt ist barrierearm geplant und gebaut worden. Alles neu und alles viel größer. Gemeinsam mit dem Gruppenleiter Friedel Restle verflogen die Jahre nur so. Später kam Birgit Engelke-Busse als seine erste Gruppenleiterin in die Gruppe und brachte einen frischen Wind mit. Die Meisten seiner Gruppenleitungen hat er in die Rente verabschiedet. Und wie die Gruppenleiter*innen kamen und gingen so änderten sich auch die Arbeiten. Heute presst er mit einem Spezialwerkzeug Kugellager auf Lagerhalter oder nietet Hülsen an Urnenbänder. Der Spaß an der Arbeit ist über die Zeit geblieben. Noch immer freut sich Heinz über seine Beschäftigung und führt die Arbeitsgänge mit Akribie aus, berichten seine derzeitigen Gruppenleiter*innen Florentine Mai und Lars Friederichs.
Aber Arbeit ist nicht alles. Denn die Gemeinschaft in der Gruppe, die Arbeitskolleg*innen und letztendlich die langjährige Begleitung durch die Gruppenleitungen verstärken die positive Einstellung zu seinem Arbeitsplatz. Es gibt noch etwas, dass vielleicht sogar noch besser ist als die Arbeit. Fast jedes Fest, und das waren einige in der Zeit, hat Heinz besucht, vom Faschingsfest über Gruppengrillfeiern bis hin zu großen Sommerfesten und Weihnachtsfeiern – Heinz ist fast immer dabei und das mit großer Freude.
Er ist ein hilfsbereiter Charmeur mit einem großen Herzen, berichtet Florentine und ist froh ihn in der Gruppe zu haben. Sein großes Herz geht allerdings noch weiter auf, wenn Tiere in der Nähe sind. So freut sich Heinz jedes Mal aufs Neue, wenn Katrin Garms mit Ben, ihrem ausgebildeten Besucherhund vorbeikommt. Dann wird gekrault und gestreichelt. Das die Freude nicht einseitig ist, sieht man beiden an.
Aber auch Pedro, eine Tierbekanntschaft aus der Ferienfreizeit, hat es Heinz angetan. Der Esel stand auf einer Weide nah an der Unterkunft. Jeden Tag ist Heinz zur Weide und hatte immer etwas leckeres für Pedro dabei. Das sind die vielen glücklichen Momente, die in Erinnerung bleiben. Ob er noch einen Wunsch hat oder gern etwas anderes gemacht hätte verneint Heinz vehement. Es war und ist eine gute Zeit.
Wir wünschen Heinz noch viele gute Jahre und weiterhin ein erfülltes Leben.
Text: Tobias Plitzko
Fotos: Tobias Plitzko, Katrin Garms, Unbekannt