20 Jahre Werkstättenmitwirkungsverordnung
Zum Anlass dieses Jubiläums hat der Werkstattrat der Werkstatt Hildesheim zu einer Politikerrunde eingeladen. Leider ist es nur eine kleine Runde geworden, da die Grünen aufgrund von Terminüberschneidungen absagen mussten und von CDU und SPD keinerlei Reaktionen erfolgte, wie der 1. Vorsitzende des Werkstattrates, Wadim Bier berichtete. Schade, denn der Werkstattrat möchte nicht, dass in der Politik nur über Menschen mit Behinderung gesprochen wird, sondern, dass die Möglichkeit zur Teilhabe an der Meinungsbildung aktiv gelebt wird. Er möchte ernstgenommen werden und gemeinsam mit Politikern über Themen, die speziell diesen Personenkreis betreffen, sprechen und diese mitgestalten.
Umso erfreulicher war die Teilnahme des FDP- Politikers, Henrik Jacobs, der sich trotz terminlicher Überschneidungen eine Stunde für den Austausch mit dem Werkstattrat Zeit genommen hat.
Der Werkstattrat der Werkstatt Hildesheim vertritt ca. 650 Beschäftigte der Werkstatt Hildesheim und ist in den Grundzügen vergleichbar wie ein Betriebsrat aufgestellt.
Wadim Bier, 1. Vorsitzender des Werkstattrates hat auf das Erfolgsmodel der Werkstättenmitwirkungsverordnung aufmerksam gemacht und ist auf die Entgeltsituation näher eingegangen.
Die Werkstättenmitwirkungsverordnung regelt die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Werkstattrates und deren Pflichten. So hat der Werkstattrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Werkstattordnung, den Arbeitszeiten, dem Urlaub, dem Entgelt und der Verpflegung. Darüber hinaus bestimmt er mit bei der Einführung von Überwachungstechnik, Fortbildungsangebote für Beschäftigte und bei der Ausgestaltung von Sanitär- und Pausenräumen und er gestaltet soziale Aktivitäten mit. Der Werkstattrat wirkt auch bei der Verwendung der Arbeitsergebnisse, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Weiterentwicklung und Förderung mit. Das Themenfeld der Arbeitsumgebung ist insbesondere umfänglich betrachtet. So besteht die Mitwirkung bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitskleidung, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung, bei der Einführung neuer Arbeitsverfahren und Arbeitsplatzwechsel der Beschäftigten.
Für die Vereinfachung der derzeit geltenden diffusen Entgeltsituation in den Arbeitsbereichen der Werkstätten hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte einen Vorschlag ausgearbeitet. Diesen hat der 1. Vorsitzende des Werksattrates, Wadim Bier vorgestellt. Vorab hat er die momentan gültige Zusammenstellung der Vergütungskomponenten aufgeführt und eingehend erklärt.
Wichtig bei der Diskussion um die Vergütung ist grundsätzlich folgendes zu beachten:
- Die Beschäftigung in Werkstätten entspricht nicht der Erwerbsarbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
- Menschen, die aufgrund einer Behinderung voll erwerbsgemindert sind, haben einen Rechtsanspruch auf die Werkstattleistung.
- Diese ermöglicht ihnen einerseits durch Qualifizierung und Beschäftigung Eingliederung in das Arbeitsleben und fördert sie dabei in ihrer Entwicklung.
- Geeigneten Personen ermöglicht die Werkstattleistung den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
- Es handelt sich bei Werkstattbeschäftigten also nicht um Arbeitnehmer im klassischen Sinne. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sie für ihre Arbeit in der Werkstatt keinen (Mindest-) Lohn erhalten.
- Werkstätten sind nach Paragraf 219 S G B 9 verpflichtet, ihnen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt zu bezahlen.
Das Entgelt setzt sich aus Grundbetrag, Steigerungsbetrag, Arbeitsförderungsgeld und der Veranlagung in der Rente zusammen. Jede Entgeltkomponente hat ihre Eigenheiten und bedarf der ausführlichen Erklärung. (Eine Auflistung mit ausführlicher Erklärung ist auf der Webseite im Bereich des Werkstattrates zum Nachlesen abgelegt; https://www.lhhi.de/bildung-und-arbeit/werkstattrat/entgelt.html)
Als Fazit bleibt:
Durchschnittlich bekommt jeder Beschäftigte ein Entgelt zwischen 140 und 300 €, je nach Bereich und Arbeitsleistung. Das ist leider sehr wenig.
Daher hat die Bundesgemeinschaft der Werkstatträte Deutschland das Modell Basisgeld entwickelt. Das Basisgeld soll Armut bei Beschäftigten verhindern, sie nicht zum Bittsteller machen, selbstbestimmtes Leben ermöglichen und eine unkomplizierte Auszahlung sicherstellen.
Eine Stelle sollte die Kontrolle über die Auszahlung haben, das Basisgeld soll über die Werkstätten ausbezahlt werden, (der Werkstatt-Lohn kommt noch dazu).
Das Basisgeld gibt es noch gar nicht! Es ist ein Vorschlag. Ein Entwurf wurde an den Bundestag gesandt. Leider gibt es im Bundestag noch keinen Beschluss dazu.
Mit diesen Ausführungen endet die Gesprächsrunde und es schließt sich ein kleiner gemeinsamer Rundgang durch die Werkstatt an. Besonders überrascht war Jacobs von dem vielfältigen Arbeitsangebot. Ein Grund mehr, häufiger Politiker*innen in die Lebenshilfe Hildesheim einzuladen.
Quellennachweis: https://www.bagwfbm.de/page/101
Text und Fotos: Tobias Plitzko