Es weihnachtet sehr in Sarstedt
Die Weihnachtszeit ist in jedem Jahr eine besondere Zeit für uns alle, auf die wir uns sehr freuen. Warme Lichter, der Duft von frischen Plätzchen, Weihnachtslieder und Adventskalender begleiten uns in dieser Zeit. So auch in diesem Jahr.
Doch etwas ist dieses Jahr anders. Corona!
All unsere Gedanken kreisen um Corona - Corona bestimmt unseren neuen Alltag. Schutz, Angst und Einschränkungen sind ein ständiger Begleiter im Umgang mit diesem Thema. Neben Corona gab es aber auch andere Ereignisse die unsere Mitmenschen in der Wohnanlage beschäftigten. Der Verlust von Angehörigen, die Ablösung vom Elternhaus, Betreuer*innen, die uns verlassen haben und neue Betreuer*innen, denen wir nun unser Vertrauen schenken wollen. All diesen Dingen gab man seinen Raum, doch Corona und die damit einhergehenden Veränderungen und Einschränkungen drängten sich immer wieder in den Vordergrund. Weihnachten waren wir jedoch fest entschlossen, sollte es anders sein!
Die Planung fand im Vorfeld so statt, dass Corona uns keinen Strich durch die Rechnung machen kann. In Sarstedt wird es Weihnachten: mit oder ohne Corona. Sollte es zu einer Schließung der Einrichtung kommen, sind wir vorbereitet und haben Weihnachten bereits bei uns einziehen lassen.
Die Frage war: Eine besondere Weihnachtszeit, die Wärme, Geborgenheit und den besonderen Zauber von Weihnacht beinhaltet, was brauchen wir dafür? Die Antwort ganz klar: UNS, die Gemeinschaft und den liebevollen Umgang miteinander, den wir in Sarstedt leben, denn erst das erweckt all die weihnachtlichen Rituale und ihre Begleiter*innen zum Leben.
So fragten wir die Bewohner*innen dieses Jahr einmal mehr welche Rituale sie in der Weihnachtszeit besonders schätzen und welche Rituale sie von zu Hause kennen. Es wurde dekoriert, gebastelt, gebacken, gesungen, Wunschzettel geschrieben, Geschichten vorgelesen und Adventskalender geöffnet. Außer Haus konnten keine Aktivitäten stattfinden, also holten wir uns diese ins Haus. Neben unserem Garten bietet zum Glück auch die Eingangshalle ausreichend Platz um Aktivitäten unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen stattfinden lassen zu können. So war es uns möglich an zwei Adventswochenenden einen Kino-Abend zu veranstalten. Schnittchen, Popcorn, ein lustiger Weihnachtsfilm und das Gemeinschaftsgefühl sorgten für eine ausgelassene Stimmung. Anders als im Kino konnten hier alle uneingeschränkt teilnehmen, denn es bedurfte keiner besonderen Kompetenzen oder einen erhöhten Betreuungsschlüssel. Die vorhandenen Ressourcen waren ausreichend, um für alle einen unvergesslichen Filmabende zu veranstalten.
Das alljährliche Highlight sind die gruppeninternen Weihnachtsfeiern. Dazu gehört oft der Besuch in einem Lokal und die Bescherung. Meist sind diese Tage mit viel Stress verbunden. Kaffee trinken in der Gruppe, danach machen sich alle schick und schnell, schnell geht es in ein Lokal. Wenn alle sitzen, geht es schon los mit der Getränkebestellung, gefolgt von der Bestellung des Essens. Betreuer*innen schreiben auf wer was bestellt hat, um anschließend alles richtig abrechnen zu können. „Wo ist denn hier die Toilette?“ ertönt es schon bald, „Ich begleite dich.“ lautet die Antwort. Diese Sätze werden noch öfter an dem Abend fallen. Wenn das Essen auf dem Tisch steht, sitzen auch endlich alle. Nach dem Essen werden die ersten Bewohner unruhig und können den Besuch im Restaurant nicht genießen. Was sollen wir tun? Die Bescherung nun doch lieber zurück im Haus stattfinden lassen? Im Wohnheim angekommen ziehen alle ihre Jacken aus, machen sich frisch und es vergeht eine Weile bis sich alle im Wohnzimmer einfinden. Richtig weihnachtlich fühlt sich diese Stimmung nicht an. Nun die Bescherung, aber viel Geduld ist hier nicht mehr bei allen vorhanden. Also, dieses Jahr haben wir die Chance alles anders zu machen. Wir gestalten das Wohnzimmer um und bauen eine große Tafel auf. Wir holen uns das Restaurant ins Haus und bestellen ein Buffet. Während des Kaffeetrinkens lassen wir uns Zeit, haben hier und da Teller mit selbst gebackenen Plätzchen verteilt, hören Gedichte, lauschen Weihnachtsmusik und unterhalten uns. Zwischen dem Kaffee und dem Abendessen spielen wir ein Weihnachtsbingo und wer ein Bingo hat, bekommt sein Geschenk - Bescherung mal anders. Zeit für ein Bingo haben wir im Lokal oder nach dem Lokal sonst nicht. Die Bewohner*innen haben mächtig Spaß und wir lachen viel miteinander. Als das Buffet angeliefert wird, packen alle mit an. Wir sitzen alle gemütlich beisammen und genießen das Essen. Das wir mehr Abstand als sonst halten, fällt hier niemandem auf. Der Zauber der Weihnacht und die Freude im Raum füllen diese Lücke. Selbst nach dem Essen gehen nur weniger Bewohner*innen in ihre Zimmer, die meisten genießen diese gesellige Runde und die weihnachtliche Atmosphäre. Auch die Bewohner*innen bemerken den Unterschied zu den Vorjahren und sagen, dass es viel gemütlicher als sonst ist. Dann sollten wir die Weihnachtsfeier in dieser Form wohl wiederholen.
Ob wir auch den Weihnachtsmarkt bei uns einziehen lassen können? Oh ja, das können wir. Last-Christmas und weitere Weihnachtslieder berieseln die Gemeinschaft, mehrere Tische im Garten, die zu Ständen umfunktioniert wurden, sorgten mit Bratwurst, Waffeln, Bratäpfeln, schokolierten Obstspießen, Kakao und Punsch für das leibliche Wohl. Das weihnachtliche Glitzern in den Augen der Bewohner zu sehen, war für uns die größte Freude. Manch ein Bewohner fragte sogar nach den Preisen und hatte wohl vor lauter Weihnachtszauber ganz vergessen, dass dies kein öffentlicher Weihnachtsmarkt ist. Auch hier war es wieder allen möglich teilzunehmen, weil ein Weihnachtsmarkt in den eigenen Räumlichkeiten einen sicheren Rahmen bietet, der den Bewohner*innen keine besonderen Anforderungen abverlangt. Auch ohne Corona sollten wir diese Aktion unbedingt wiederholen und uns daran erinnern, dass es so wie es war, gut war und nicht mehr bedarf, nur weil uns vielleicht wieder unzählige Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Weihnachten wurde und wird dieses Jahr in der Gemeinschaft gelebt und erlebt und zum zentralen Thema der Wohnanlage. Wir haben einmal mehr gelernt, dass es nicht viel braucht, um glücklich zu sein. Uns stehen so viele Möglichkeiten bereit, wir müssen sie nur nutzen, aus unserer Komfortzone kommen und die Dinge für uns maßschneidern - selbst wieder aktiv werden und nicht andere für unsere Unterhaltung und unser Glück verantwortlich machen. Wir haben diese Weihnachtszeit neu erlebt. Corona war in dieser Zeit unser Praktikant, der uns mal wieder fragt, warum wir die Dinge so tun, wie wir es tun und uns dazu zwingt unser Handeln einmal mehr zu hinterfragen. Wir haben viel positives aus dieser Zeit mitnehmen können. Wir durften eine Weihnachtszeit erleben die entschleunigt und voller Liebe innerhalb der Gemeinschaft war. Nun hoffen wir auf ein gesundes, neues Jahr für uns alle und das Probleme wie die Einführung des neuen BTHG und eine Bonpflicht Corona endlich ablösen.
Wir wünschen allen Freund*innen und Angehörigen der Lebenshilfe ein wunderschönes Weihnachtsfest und für das neue Jahr viel Gesundheit, die Fähigkeit das Gute zu sehen und den Mut Veränderungen zuzulassen.
Text: Natalie Mieske (Wohnanlage Sarstedt)
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